Freitag, 17. Oktober 2014

Putins Rußland: Dissertationsbetrug

In jedem Land wird zu einem gewissen Prozentsatz beim Schreiben von Dissertationen gefälscht, überall gibt es einen Schwarzmarkt, auf dem ghostwriter anbieten, für Kandidaten ohne Motivation, ohne Befähigung oder ohne Zeit Dissertationen zu verfassen, die diese Kandidaten anschließend für ihre eigenen Werke ausgeben können. Der einzige Weg, diesen Schwarzmarkt einigermaßen klein zu halten, sind strenge Kontrollen und die schnelle Reaktion von Hochschulen und Justizapparat bei Hinweisen auf Betrugsvorgänge in diesem Bereich.

In einem Land wie Rußland, das von der Spitze bis in die untersten Ebenen systematisch korrumpiert ist, funktionieren solche Kontrollen nicht. Hier kann nicht nur, hier muß vieles durch Bestechungsgelder erkauft werden, und Polizei- und Justizorgane agieren und reagieren meist nur bei finanziellen Motivationshilfen oder klaren Anweisungen von oben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß es keine Reaktionen gab, als der Politologe Sergej Parchomenko und der Radiosender Echo Moskwy im vergangenen Jahr ausführlich über eine völlig offiziell registrierte und arbeitende Firma berichteten, die ganz offen das Schreiben von Dissertationen und damit verbundene Dienste anbietet.

Was aber doch verwundert ist der Umstand, daß der Betreiber der Seite, Wladimir Gr. Lugin, sich so sicher fühlte und fühlen konnte, daß er seinerseits den Autor und den Radiosender verklagte – wegen moralischer Schädigungen durch die Veröffentlichung. Und er bekam recht: Das Presnja-Gericht in Moskau verurteilte Parchomenko und Echo Moskwy zu einer Geldstrafe. Zwar nicht zu den geforderten 4.300.000, sondern nur zu 20.000 Rubeln (nach gegenwärtigem Kurs 200 Euro), aber grundsätzlich siegte der Massenbetrüger über den Qualitätsjournalismus. Wie so häufig in Rußland.

Sergej Parchomenko 16.10.2014 auf livejournal und Echo Moskwy