Sonntag, 21. Februar 2016

Umberto Eco: Urfaschismus

Bei einer Vorlesung an der Columbia University, New York, am 24.04.1995 anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des 2. Weltkriegs führte der italienische Schriftsteller Umberto Eco 14 Punkte aus, die aus seiner Sicht den "Urfaschismus" kennzeichnen.
  1. Traditionskult.
  2. Ablehnung der Moderne - nicht moderner Technik, wohl aber modernen Denkens und moderner Werte.
  3. Mißtrauen gegenüber dem Intellekt und dem Denken; Kult der Aktion um der Aktion willen.
  4. Differenzierung wird als Verrat betrachtet.
  5. Ablehnung von Fremden und Fremdem; Grundveranlagung zum Rassismus.
  6. Appell an die enttäuschte Mittelklasse angesichts einer Wirtschaftskrise.
  7. Mythos, das Land sei von Feinden umgeben.
  8. Feinde werden gleichzeitig als stark (Gefahr!) und schwach (aber wir werden sie besiegen!) dargestellt.
  9. Leben ist Kampf, Pazifismus ist dementsprechend Verrat.
  10. Doppeltes Elitebewußtsein: Einerseits lebt jeder Bürger im besten Land der Welt, ist Teil des besten Volkes der Welt, andererseits führt die starke Hierarchisierung durch das Führerprinzip zu einem Elitebewußtsein, das die Bewunderung der Höhergestellten und Verachtung der Niedrigergestellten nach sich zieht.
  11. Heroisierung des Todes und Geringschätzung des Lebens der Untergebenen.
  12. Ablehnung der Gleichberechtigung der Frau, Verfolgung sexueller Minderheiten, Heroisierung der Waffe.
  13. Legitimität geht nicht mehr von einem Parlament, sondern von einem Führer aus.
  14. Vereinfachung der Sprache in Vokabular und Grammatik.
Jedem, der sich auch nur mittelgut im Putin-System auskennt, springen die fast völligen Übereinstimmungen mit dem gegenwärtigen Rußland ins Auge.

Die englische Fassung ist hier zu finden. Eine deutsche, gekürzte Übersetzung von Ecos Vorlesung wurde in der Zeit vom 07.07.1995 publiziert.