Der Berliner Historiker Götz Aly hat sich in seiner Kolumne in der Berliner Zeitung wiederholt zum Sprachrohr Putinscher Propaganda gemacht – auch wenn der Gerechtigkeit halber zu ergänzen ist, daß er manchmal auch Ausflüge in den Bereich der Wahrheit unternimmt. In seiner Kolumne vom 20.01.2015 allerdings ist von Wahrheit erneut keine Spur: Putin, der Vertreter der Macht, die 1945 Auschwitz befreite, sei nicht zur Feier ins ehemalige Konzentrationslager eingeladen worden. „Gedankenlos, gefühlsroh und politisch fahrlässig“, urteilt der Historiker. „Grotesk – nein: widerwärtig.“
Wir wollen heute nicht weiter auf die verquere Perspektive eingehen, die Rußland als das Land ansieht, „dessen Armee Auschwitz befreite“, und die dabei die Ukraine, Weißrußland sowie die baltischen, kaukasischen und zentralasiatischen Staaten ins schönster Kolonialherrenmanier ignoriert. Zentral hier ist vielmehr, daß die Grundlage für all die Aufregung und pharisäerhafte Empörung eine einfache Unwahrheit ist, oder klarer: eine weitere Propagandalüge. Klingt es doch bei Aly & Co., als wären alle möglichen Staatsoberhäupter nach Auschwitz eingeladen worden, nur Putin nicht, weil man ihn als „böse“ betrachtete. Wie so oft bei Putin-Lügen ist das Gegenteil richtig. Es gab überhaupt keine persönlichen Einladungen zur Feier, weder an Putin, noch an Gauck, noch an Obama, Holland, Cameron oder andere Staats- und Regierungschefs. Es wurde vielmehr von den polnischen Gastgebern, auf dem üblichen diplomatischen Weg, eine Information über die bevorstehende Feier an alle Staaten versandt. Und die wichtigen Staaten reagierten und schickten hohe Vertreter – Deutschland zum Beispiel sein Staatsoberhaupt Joachim Gauck. Putin reagierte nicht. Lediglich sein Sprecher Peskow erklärte in einer Pressekonferenz, Putins Kalender lasse eine Teilnahme nicht zu.
Als Historiker sollte Götz Aly es als seine erste Aufgabe ansehen, Informationen auf ihren faktischen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, bevor er sie in der Öffentlichkeit wiederholt und dann noch mit moralischen Wertungen auflädt. Diese einfachste Pflicht hat Aly vollkommen ignoriert, statt dessen seinen Ressentiments freien Lauf gelassen und zum wiederholten Mal Putin-Propagandalügen in Deutschland verbreitet. „Grotesk – nein: widerwärtig.“ Götz Aly hat sich sein Urteil selbst gefällt.
Götz Aly: Auschwitz, guter Gauck & böser Putin; in: Berliner Zeitung, Jg. 71, Nr. 16 HA (Di, 02.01.2015), S. 4*.